LIEBE

LIEBE


Um nun auch klug zu handeln, dazu ist der bloße Verstand nicht ausreichend.”

Dostojewski

Liebe? Echt jetzt? Unbedingt! Selbst wenn der Begriff „Liebe“ ein Buzzword für alles Mögliche sein kann und zum Teil inflationär verwendet wird: Gefühle sind immer echt und gleichzeitig sind sie das “Schmiermittel” unserer Gesellschaft. Deshalb ist es auch so wichtig, sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Dem Thema „Liebe” also wieder einmal mehr Raum zu geben, gerade in einer Zeit, in der die Gegenspieler oftmals lauter sind, wurde ein Herzensanliegen, und so entstand dieses Ausstellungsprojekt, das unter anderem der Frage nachgeht, ob und wie man Liebe sichtbar machen kann.

Können Menschen über ihre Art zu lieben, für andere erfahrbar werden? Im Februar 2023 sprach ich mit Johanna und Toni vom BiM Kulturzentrum darüber und rannte offene Türen ein. Die beiden unterstützten die Projektidee sofort und griffen das Thema in ihrem Programm auf. Nach einem Aufruf vom BiM, seine persönliche Geschichte oder Gedanken im Zusammenhang mit dem Thema zu teilen und eine Bildidee umzusetzen, meldeten sich elf freiwillige Teilnehmer*innen.

Im Interview wurden spontane Assoziationen, Gesten, Erinnerungen und Bilder erfragt sowie intensive Momente, in denen sich die Teilnehmer*innen besonders geliebt fühlten. Sind wir verliebt, sind wir regelrecht high. Schon Aristoteles, der den Himmel in verschiedene Zonen unterteilte, prägte den Ausdruck „auf Wolke sieben schweben”. Doch nicht nur der erste flüchtige Rausch kann erfüllend sein, sondern auch die tiefe Verbundenheit zu einem oder mehreren Menschen. Wie vielfältig die Schönheit dieses Gefühls, aber auch seine Schattenseiten oder Zweifel an Konventionen sein können, hat mich berührt: angefangen von der Liebe auf den ersten Blick über den Wunsch nach Liebe über individuelle L(i)ebensweisen, Selbstliebe bis hin zur Liebe für die ganze Welt und Gott.

Darüber hinaus wurden alle gefragt, ob es einen Ort im Körper gibt, wo die Liebe wohnt. Manche mochten das abstrakte Gefühl nicht verorten, andere wiederum deuteten mit den Fingern ohne zu zögern auf die Brust in die Nähe des Herzens oder legten die Hand auf den Bauch. Für die meisten Menschen wird heute die Liebe körperlich in Herznähe verortet. Das war aber nicht immer so. Schließlich glaubten die Menschen in der Antike und im Mittelalter, dass die Liebe im Gehirn oder im Magen wohnt.  

Ein Teilnehmer formulierte es sehr treffend: „Über Liebe gibt es so viel, von Liebesliedern über Balladen bis tollste klassische Literatur, aber für sich selbst das zu definieren oder herauszufinden, was das denn ist oder was das in einem selbst auslöst, ist natürlich ein Riesending!” Die einen suchen aktiv nach der Liebe, anderen wurde sie vom Schicksal wie durch Zauberhand geschenkt.

Liebe tangiert nicht nur den Bereich der Emotion, sondern auch den des Körpers, der Wahrnehmung, der Intimität und der Identität. So unterschiedlich die Teilnehmenden von 19 bis 88 Jahren auch waren, sie alle eint, dass sie das starke Gefühl der Liebe individuell erfahren haben, ganz gleich ob Mann, Frau oder non-binäre Person. Da taucht wieder ein Zitat aus Dostojewskis Roman vor meinem geistigen Auge auf: „Sehr oft scheint es nur so, dass es keine Berührungspunkte [zwischen den Menschen] gibt, während sie durchaus vorhanden sind … Das liegt an der menschlichen Trägheit, weil die Menschen einer den anderen nach dem bloßen Anschein sortieren und keine finden.”

Wie, wen oder was wir lieben, unterscheidet sich also stark. Was allen gemeinsam ist: Es ist eine verändernde, emotionale Erfahrung, und ohne diese geheimnisvolle Kraft geht es nicht.

„Dunkelheit kann Dunkelheit nicht vertreiben. Das kann nur Licht. Hass kann Hass nicht vertreiben. Das kann nur die Liebe.“

Martin Luther King

Farben oder Filter bei Bildern sind meist bestimmten Moden unterworfen. Die Ausstellung ist aufgrund des Themas bewusst in Schwarz-Weiß gehalten, da es für mich etwas Überzeitliches hat, und um den Blick auf das Wesentliche zu lenken. Pünktlich zum Valentinstag 2024 wird sie eröffnet. In Korea wird übrigens jeden Monat am 14. die Liebe gefeiert! So gibt es den 14. Mai, den „Rose Day“, an dem Paare sich gegenseitig Rosen schenken. Der 14. Juni ist der „Kiss Day“, der Tag des Kusses. Am 14. September wird der „Photo Day“ gefeiert, der Tag der Pärchenbilder, und der 14. Dezember schließt mit dem „Hug Day“, dem Tag der Umarmung, das Jahr kuschelig ab. Warum eigentlich nicht öfter die Liebe feiern?

Einen großen Dank an alle Teilnehmer*innen für den Mut, über dieses sehr persönliche Thema zu sprechen und Bilder der Liebe mit anderen Menschen zu teilen. Ebenfalls von Herzen bedanke ich mich beim gesamten Team des BiM Kulturzentrums für das Ermöglichen dieser Arbeit, für die Unterstützung in allen Projektphasen sowie für das Aufgreifen des Themas in einem abwechslungsreichen Rahmenprogramm. 


Christina Fellenberg

An meinem 7. Geburtstag bekam ich die erste Kamera geschenkt. Seitdem linsenfiltere ich Lichtwelten und suche neue. Angefangen habe ich mit analoger Fotografie und Entwicklung in der Dunkelkammer. Heute fotografiere ich ausschließlich digital und lasse meine Interviewpartner*innen in den begleitenden Texten zu Wort kommen. Das Kontinuum zwischen Zeigen und Verbergen sowie zwischen Distanz und Nähe, versuche ich besonders in Schwarz-Weiß-Reportagen festzuhalten. Die Ausstellung „Liebe“ – dedicated to those I love – ist in mehrfacher Hinsicht ein Herzensprojekt, nicht nur um das Thema sichtbar zu machen, sondern auch weil ich Geschichten liebe – besonders wenn sie wahr sind.

Mein Ziel ist es, durch Projektarbeit Menschen aus verschiedenen Generationen und Kulturen zusammenzubringen. Seit fünf Jahren lebe ich mit meiner Familie in Hamburg Meiendorf.